Hochtourenwoche 2008
Zum zweiten Mal war ich dieses Jahr mit Rotti, CH und unserem Bergführer Urs Tinner auf Hochtour. Ralph, einer der die Gruppe schon mehrere Jahre begleitet lernte ich dieses Jahr auch noch kennen. Ein illustres 5er Grüppli also, dass heiss war in einer Woche ein paar Berggipfel gemeinsam zu erklimmen. Ziel war das Berner Oberland, genauer die Blüemlisalp und die Jungfraugruppe.
Tag 1 (Sonntag, 6. Juli)
Anreise am Sonntag Mittag mit dem Auto. Rotti fährt und in Spiez laden wir noch Urs und Ralph ein. Bei mässigen Wetter gehts nach Kandersteg, dort mit der wunderhübschen uralten Sesselbahn hoch zum Oeschinensee. Von dort weiter bei teils heftigen Regen hoch zur Blüemlisalphütte. Vor zig Jahren war ich schon mal da. Erinnerte mich noch an den steilen Hüttenaufstieg und oh Wunder, dies hat sich bis heute nicht geändert. Die Blüemlisalphütte ist recht modern und liegt auf gut 2800 Meter. Zum Glück hatte es nicht viele Gäste, so konnten wir uns gemütlich in einem Zimmer breit machen. Erwähnenswert die leckere Küche auf dieser Hütte. Am ersten Abend gabs sensationellen Hackbraten mit Kartoffelstock und am zweiten, Geschnetzeltes an Rosmarin-Bratkartoffeln. Nix aus der Büx, alles frisch zubereitet.
Tag 2 (Montag, 7. Juli)
Wegen Regen verschoben wir den Abmarsch von 4 auf 7 Uhr. Mir wars Recht, hatte ich doch ein ganz schönes Schlafmanko mit in die Berge gebracht. Der Regen hörte auch auf und so machten wir uns bei bedecktem Himmel auf den Weg richtung wyssi Frau. Fünf Minuten hinter der Hütte gehts gleich auf den Gletscher. Also Steigeisen an, anseilen und auf gehts: Umpf… ich kann ja nicht mal mehr den Knoten um mich in der Mitte der Seilschaft einzubinden. Aber natürlich wird mir geholfen. Das Wetter wird nicht besser. Heftige Sturmböen fegen über den Gletscher. Zwischenzeitlich beginnts dann noch zu Graupeln und die Eiskörner verursachen einen höllischen Schmerz im Gesicht. Der Rest ist gut eingepackt. Kapuze auf, Handschuhe schützen die Hände. Der Gletscher liegt grösstenteils noch unter Schnee, so ist also Vorsicht geboten. Im oberen Teil gehts dann extrem steil der Bergflanke nach hinauf. Leider schaffen wir den Gipfel aber nicht ganz und kehren kurz davor um, weil der Nebel uns die Routenwahl fast verunmöglicht. Also gehts wieder zurück zur Blüemlisalphütte. Die letzte Windböe, die mich erwischt fegt mir mein Käppli vom Kopf, wirbelt ein paar Meter bergauf und verschwindet in der nächsten Gletscherspalte. Pech! Hätt ich doch lieber meine richtige Mütze angezogen, die hätt dem Windstoss wohl wiederstanden. So sind wir um die Mittagszeit wieder zurück in der Hütte, stärken uns dort mit leckeren Röstis und gehen nach dem Essen noch ein bisschen Selbstrettung üben… Ich wollt mir das ganze ja noch notieren, aber brings glaub ich schon nimmer zusammen.
Tag 3 (Dienstag, 8. Juli)
Heutiges Ziel ist das Blüemlisalphorn. Der erste Teil des Aufstiegs führt uns wieder über den unteren Teil des Blüemlisalp Gletschers wie gestern. Danach gehts dann aber rechterhand über einen Sattel wieder steil auf einen Boden hinunter. Alles schön auf griffigem Schnee. Die steile Eiswand hinauf zum Rothornsattel ist dann die erste Herausforderung des Tages. Das Gelände ist so steil, dass man nur noch mit Pickel und den vorderen Hacken der Steigeisen die Wand hinaufklettern kann. Urs setzt zwei Eishaken damit wir das Wändli gesichert sind. Spannend, sowas gefällt mir. Danach gehts einen endlos langen Grat hinauf zum Gipfel. Erst über abschüssige Felsplatten und dann im Schnee bis zum Gipfelkreuz. Ich hab vor dem Abstieg ein bisschen Bammel, doch er gestaltet sich zu meiner Überraschung viel einfacher als erwartet. Der Schneegrat machte mir weniger Angst, als die ausgesetzte Kletterei über die geschichteten Felsplatten, aber man konnte doch die ganze Strecke vorwärts abklettern. Natürlich gibts auf dem Gipfel nur einen 5-Minuten Stopp. Zu kalt und zu windig ist es. Das Wetter ist inzwischen besser geworden und man hat einen phantastischen Rundblick von hier oben.
Zurück in der Hütte gönnt uns Urs nur eine Dreiviertel Stunde Pause. Nach seinen Angaben haben wir noch 3 Stunden Marsch vor uns, bis zu unserem nächsten Nachtlager, der Fründenhütte. Daraus werden dann aber fast fünf, dafür werden wir belohnt mit einem einmaligen Erlebnis über den ausgesetzten Weg der unteren Fründschnur. Ein Pfad der sich vielleicht 200 Meter über dem Oeschinensee an einem kaum begehbaren Felsband entlang zieht. Schwindelfreiheit ist hier Voraussetzung, sonst wirds ne ziemlich trümmlige Angelegenheit. Ein Weg, den ich jedem Abenteurer, der solche ausgesetzten Pfade mag empfehlen kann – hmm, empfehlen muss! Sensationell!
Die 700 Meter Aufstieg zur Fründenhütte wurden dann für alle zur Qual und sichtlich erschöpft erreichten wir nach über 11 Stunden Marsch an diesem Tag die Hütte. Urs wurde dann wegen einem Unglück am Doldenhorn noch zum Interims-Hüttenchef degradiert. Der eigentliche Hüttenwart war Rega-Helfer und wurde vom Heli nach dem Abendessen abgeholt um zwei Verunglückte zu bergen.
Tag 4 (Mittwoch, 9. Juli)
Spaltenrettung statt Dolden-, oder Fründenhorn. Rotti und CH intervenierten am Vorabend zu Recht, heute einen ruhigeren Tag einzulegen. Ich war auch froh darüber und stimmte dem Gletschertraining auch zu. Gleich hinter der Hütte suchten wir auf dem Fründen Gletscher nach einer geeigneten Spalte um die Spaltenrettung wieder mal ausführlich zu üben. Das Ganze ist eine ziemlich komplexe Angelegenheit. Eisschrauben zur Sicherung des Hauptseiles anbringen, die Handschlaufe daran einhängen, damit der Abgestürzte gesichert ist und man sich selbst von der Seilverlängerung lösen kann. Danach wird das Hauptseil an der Eisschraube gesichert, da der Prusik nicht genügend Stabilität bietet. Nun sichert man sich selbst mit einer langen Repschnur am losen Ende des Hauptseiles und kann so zum Gletscherrand gehen. Dort lässt man das lose Seil mit einem Schraubkarabiner in die Spalte, wo der Gestürzte den Schrauber an seinem Gurt befestigt. Ein zweiter Prusik von der langen Repschnur wird am Zugseil als Rücklaufsperre angebracht und nun setzt man sich am besten an die Gletscherspalte und zieht den Gestürzten hoch… So ungefähr hab ich mirs auf jeden Fall mal gemerkt. Bei zu kurzem Seil, kann auch ein Flaschenzug erstellt werden. Dazu schlauft man das Seil zurück an den Eishaken und bringt auch hier mit der Repschnur und Prusik eine Rücklaufsperre an. Hoffen wir mal, dass ich das in einem Ernstfall wieder hinbekomme ;-) What about you? Habt ihrs gecheckt? Nur für den Fall, dass ich mal in der Ritze verschwinde ;-)
Nach dem Übungsteil, bei dem sich jeder in die Spalte abseilen und von seinem Kollegen wieder hochziehen liess, stiegen wir nach Kandersteg ab und reisten weiter nach Grindelwald. Gemütliches Mittagessen bei wunderbarstem Sommerwetter beim Bahnhof Grund, Bezug unseres Zimmers im Mountain Hostel, Körperpflege und ab in den Apéro und zum Abendessen nach Grindelwald hoch. Mittwoch ist in Grindelwald übrignes Touriabend. Die nennen das zwar Strassenfest, ist aber mehr eine Volkloreshow für Japaner, Amis, Holländer, Enländer und all die anderen Ausländer ;-) Am Abend bliebs herrlich warm, so konnten wir easy auf der Terasse unsere Pizza schlemmen und fielen danach todmüde in die Luxusbetten unsere 6er Schlages …
Tag 5 (Donnerstag, 10. Juli)
Mit der ersten Bahn gehts hoch aufs Jungfraujoch. Schön, fährt die Bahn erst um sieben. Das klingt doch schon fast nach ausschlafen und auch die eineinhalb Stunden, die die Bahn bis aufs Joch braucht, lassen sich nochmal herrlich verdösen. Oben gehts dann direkt raus auf den Gletscher, dem Wanderweg Richtug Mönchsjochhütte entlang, an den Fuss des Mönchs. Dort gehts dann in Felskletterei hoch zum Grat. Nicht allzu schwer, aber auch nicht ohne. Die letzten Höhenmeter gehts über den ausgesetzten Südgrat hoch zum Gipfel. Die Verhältnisse sind perfekt, der Schnee noch griffig und eine schön stabile Spur ist gelegt. Die Aussicht oben auf dem schmalen Gipfelgrat ist gigantisch, das Wetter könnte nicht besser sein.
Nach kurzer Rast auf dem Gipfel steigen wir auf demselben Weg wieder ab und quartieren uns in der Mönchsjochhütte ein. Eine imposante Hütte am Fusse des Mönchs welche zum grossen Teil von Pfählen gestützt wird. Die schöne grosse Gaststube lädt zum verweilen ein. Zeit haben wir genug und wir vertreiben sie uns mit Pandurjassen. Leider ist das Team der Mönchsjochhütte etwas eigen: Die Esstische werden fest zugeteilt, was eigentlich nichts aussergewöhnliches ist, aber hier durfte man nicht einmal auf Nachfrage, sich an einem anderen Tisch verpflegen. Die Hälfte der Zimmer war leer, aber die Hüttenwirtin packte alle Gäste in nur zwei Zimmer und füllte sie bis auf den letzten Platz. Es war eng, stickig und heiss bis zum umfallen. Schnarchende Holländer taten den Rest zur schlaflosen Nacht auf über 3600 Metern über Meer. Wir alle schliefen wohl kaum mehr als 2 Stunden. Aber so isses halt da oben… damit muss man leben. Plumpsklo vor der Hütte, eiskaltes, nicht trinkbares Wasser zum Waschen und Zähneputzen gehören ja genauso dazu und werden auch «gerne» so akzeptiert ;-)
Tag 6 (Freitag, 11. Juli)
Die letzte grosse Tour und das Highlight der diesjährigen Tourwoche steht auf dem Programm. Tagwacht um 3:30, schnelles Frühstück und Abmarsch um Vier. Mit Stirnlampen gehts den frisch gemachten Gletscherweg entlang, hinunter zur Sphinx und dann der bereits gelegten Spur folgend an den Fuss der Jungfrau. Der untere Teil der Strecke ist felsig und muss angeseilt erklettert werden. Leider verletzt sich Ralph bei einer kniffligen Stelle. Sein Knie kugelt aus und er stürzt beim Vorklettern, wie er später erzählt, unglücklich 10 bis 15 Meter tief. Zum Glück verletzt er sich nicht schlimmer, aber an ein weitergehen ist nicht zu denken und so entschliesst sich die ganze Gruppe, das Unternehmen Jungfrau abzubrechen und umzukehren. Ralph schaffts mit Mühe, aber aus eigener Kraft zum Jungfraujoch zurück. Morgens um sieben stehen wir vor der grossen Metalltür unterhalb der Sphinx. Wir sind froh, dass sie nicht geschlossen ist und so können wir der Morgenkälte entfliehen. Licht brennt noch keins und so montieren wir unsere Stirnlampen um den Weg in die grosse Halle zu gehen. Nach der Hälfte der Strecke geht dann plötzlich das Licht an. Ist doch etwas angenehmer. In der Halle wo der Lift zur Aussichtsplattform der Sphinx hochfährt sind wir dann überrascht, dass der Lift in dieser Geisteranlage sogar in Betrieb ist. Hundertacht Meter flitze ich mit Rotti im Lift zur Plattform hoch. Die Türen nach Draussen sind noch verschlossen, aber 5 Minuten später werden sie für uns geöffnet. Woher der Mann und die Frau kamen, weiss ich nicht, aber das spielt auch keine Rolle. Da wir so schön alleine waren und ich auch wieder Handyempfang hatte, machte ich mich noch auf Cache-Suche. Ich konnte grade noch die Koordinaten und das Spoilerbildchen anzeigen lassen, bevor mein Aku den Geist ganz aufgab. Danach erforschte Rotti und ich gleich noch die Gletschergrotte. Eigenartiges Gefühl, im sonst von Touris überschwemmten Jungfraujoch mutterseelenallein im Dunkeln, nur mit Stirnlampen die Eisgrotte zu erforschen. Uns wunderte, dass sämtliche automatischen Türen sich öffnen liessen und alle Fahrstühle in Betrieb waren, obwohl noch niemand hier war. Um halb Neun strömten dann die ersten Gäste in die Anlage und wir gönnten uns noch einen schnellen Kaffee mit frischen Gipfeli, bevor wir mit der ersten Bahn wieder nach Grindelwald hinunter fuhren. Ralph verabschiedete sich von uns mit dickem Knie und wir gingen vor der Gletscherschlucht noch in den Klettergarten zum Klettertraining. Ich war selbst überrascht, wie gut es mir lief und es wäre gelogen, wenn ich nicht auch ein bisschen Spass bei der Geschichte verspürte. Vielleicht kauf ich mir trotzdem noch ein paar Kletterfinkli, denn die gemieteten Teile verursachen bei mir immer ungeheure Schmerzen. ;-)
Am späteren Nachmittag gings dann zum ausgiebigen Apéro auf der herrlichen Gartenterrasse des Hotel Spinne. Hier liessen wirs uns gut gehen und genossen die relaxte Athmosphäre und stiessen mit Urs auf seinen Geburtstag an. Die angesagten Gewitter liessen netterweise bis nach dem Nachtessen auf sich warten und so genossen wir vier übrig gebliebenen Jungs einen entspannten Abschluss unserer Tourenwoche.
Geil wars, schön wars, spannend wars, Adrenalingeladen wars :-) Bis nächstes Jahr! Und… Danke Urs!