We made the Stelvio
Geschafft! Zusammen mit Digi hab ich das Stilvserjoch am Samstag bezwungen. Drumherum, damit wir das ganze auch ohne körperliche Schäden überstehen, haben wir ein bisschen Wochenende und 2 Übernachtungen in Glurns und Bormio eingebaut. Wer nun von meinen Velo-Berggschichtli genug hat, kann getrost weiter surfen, denn da kommt noch ne ganze Menge Text. Ok, vielleicht noch schnell die Daten der Tour:
220 km
4725 Höhenmeter
6 Passüberquerungen
11:35 Std Fahrzeit
18,9 km Stundenschnitt
Die Bilder findet Ihr wie immer bei Onkel flickr.
Anreise am Freitag:
Ich radelte von zuhause zu Dirk nach Kilchberg, wo wir um halb drei Richtung Zernez aufbrachen. Dort stellten wir den Wagen im Dorf ab und machten uns nach einer kleiner Stärkung gleich auf den Weg. Bei stahlblauem wolkenlosem Himmel fuhren wir um halb sechs Richtung Ofenpass los. Kaum Verkehr und die paar Velofahrer die man sah, waren alle mit Rucksack unterwegs und hatten wahrscheinlich das gleich Ziel wie wir. In 80 Minuten waren wir auf der Passhöhe und schon das erste Mal müde.
Beim hochfahren lief der Schweiss und die Sonne brannte noch ganz schön. Umso erstaunter waren wir über die Kälte auf der sonnenabgewandten Seite, bei der Abfahrt ins Val Müstair. Mein Tacho zeigte grade mal noch 10 Grad, aber dank der Regenjacke wars auszuhalten. Eine lange und schöne Abfahrt durch St. Maria und Müstair bis hinunter nach Glurns im Südtirol. Das alte Städtchen, das ich vor Jahren schon mal mit meinen Eltern besucht hatte, war unser erster Etappenort. Ein idealer Ausgangspunkt für die Stelvioanfahrt vom Samstag. Denkste! Das hübsche Städtchen komplett ausgebucht! An einem Freitagabend. Pfui! Da hätten wir uns doch etwas früher um die Hotels bemühen sollen. Aber wir hatten dennoch Glück. Vor der Stadtmauer klingelten wir bei einem Privathaus, vor dem ein Zimmer/Frühstück-Täfelchen stand. Und tatsächlich hatten wir Glück und eine alte Frau bot uns ihr letztes Zimmer im Haus an. Das Bad mussten wir uns mit den Herrschaften teilen, was uns aber nicht weiter stöhrte. Und der Preis war auch ganz ok. 20 Euro pro Person inkl. Frühstück. Da fackelten wir nicht lange und schlugen gleich zu, nachdem wir in der Stadt in jedem Hotel nur müde belächelt wurden, als wir uns nach einem Zimmer erkundigten. Unsere Räder durften wir in der Garage einschliessen. Wir brauchten sie eh nicht mehr, weil unserer Bleibe nicht mal fünf Minuten vom Dorfplatz entfernt lag. Zum Nachtessen gingen wir ins Restaurant Post wo wir unseren Kohlehydrat-Haushalt wieder in Ordnung brachten. Lecker Braulio hinterher weil wir ja schon fast im Braulioland waren. Den Schlummerbecher, bzw. die Schlummerbecherchen nahmen wir dann am Dorfplatz ein, wo man sich mit der Jacke geschützt noch gut draussen hinsetzen konnte.
Samstag: Stelvio-Day
Wir staunten gestern schon über die vielen Velofahrer die sich hier tummelten. Jedes erste Septemberwochenende wird das Stilfserjoch zwischen 9 und 15 Uhr für den Verkehr gesperrt und ist für uns Velofahrer reserviert. Meine Herrn, ist das ein Spektakel, aber natürlich herrlich zum radeln. Keine Abgase, keine irren italienischen Mopedfahrer, die ihre Boliden bis zum Anschlag hochschrauben und keine Autofahrer, die einen viel zu nah überholen. Natürlich wuselt es nur so von Velölern, aber das geht schon in Ordnung. Man ist froh, wenn man mal ein paar Leute überholt, dann hat man nicht das Gefühl dass man der Langsamste ist.
Wir starten nach einem ausgiebigen Frühstück im Gästehaus unserer Unterkunft in Glurns und geniessen die tolle Strecke der Etsch entlang bis Prato, dem Dorf am Fusse des Passes und Einstiegsort für das grosse Radevent. Das Wetter ist phantastisch. Stahlblauer Himmel, kaum ein Wölkchen. Am Anfang ist die Steigung noch human. Trotz Fahrverbot hats bis Gomagoi immer wieder Autos auf der Strecke, aber s’geht grad noch so. Ab Trafoi, wo dann der Richtige Aufstieg und die ersten Kehren beginnen ists dann wirklich autofrei. Ab hier gibts kaum mehr flachere Passagen, also kaum mehr Möglichkeiten sich zwischendurch mal zu erholen. Bis zur Passhöhe sind die 48 Kehren (von oben nach unten) nummeriert und zum Teil auch mit den Höhenangaben versehen. Bei Kehre 31 dann endlich der erste Verpflegungsstand. Und wie ich mir das von meinen Bikerennen gewöhnt bin, rechnete ich feste damit, dass es hier auch was zu essen gibt. Bananen, Reisküchlein, Linzertörtchen, Orangen, Kraftriegel, usw. Ist hier aber nix! Sirup ist das höchste der Gefühle oder heisser Kräutertee. Ach du Scheisse! Ich hab natürlich gar nix zum essen eingepackt und mich voll drauf verlassen, dass an den angekündigten Verpflegungsposten auch was zum nachfeuern eingeschoben werden kann. Also fahren wir, nachdem wir unsere Flaschen wieder gefüllt haben, nach einer kurzen Rast weiter. Ich fühl mich schon ziemlich schlapp und beim Restaurant auf der Franzenshöhe kann ich nimmer und muss unbedingt was essen. Also Päuschen und ne rechte Portion Spaghetti rein. Danach gehts dann wieder und ich erreiche gut 10 Minuten nach Dirk die Passhöhe. Die Franzenshöhe ist der Punkt, wo die letzten steilen Serpentinen hoch zum Joch beginnen. Alles in praller Sonne und die Strasse klebt richtig am steilen Berghang fest. Man sieht schon die Passhöhe und die endlosen Kurven bis hinauf. Das ist alles ziemlich beeindruckend.
Oben ist dann Ghetto ohne Ende. Hunderte oder wohl eher tausende von Velofahrern sind schon da und stürmen die Restaurants, Bratwurststände und das Passschild für das Erinnerungsphoto, oder stehen einfach rum und quatschen, oder ruhen sich vor der Abfahrt noch etwas aus. Wir wollen zuerst auch noch das Passschild-Bild, aber irgendwie isses dann doch zu hektisch. So lassen wir das Siegerfoto Siegerfoto sein, bestellen uns in einer der vielen Restaurants auf diesem hochalpinen Rummelplatz ein Bier und machen uns dann an die Abfahrt nach Bormio.
Auch die Südrampe ist unglaublich schön und landschaftlich wirklich ein Bijou. Wir rasen auf der im letzten Jahr extra für den Giro frisch geteerten Strasse Richtung Bormio. Leider schaffen wirs nicht mehr ganz, bevor die Strasse wieder geöffnet wird und so kommen uns in den dunklen Galerien schon die ersten Töfflibuebe entgegen. Wie schon erwähnt sind diese Jungs hier ziemlich gashebelgeil und geben so ziemlich alles. Ein herunterbrausendes Velo hindert die natürlich nicht daran trotz allem die Autos zu überholen. Na ja, so sannse hoit, dia Italiener;-) In Bormio kümmern wir uns dann erst mal um eine Bleibe und quartieren uns im Genzianella ein. Schönes Haus mit gelben Zimmern und mit direktem Blick auf den Slalomhang, wo jährlich die Weltcuprennen gefahren werden. Frisch geduscht gehn wir dann nach einem kurzen Ausruherchen rüber in die Altstadt. Einmal die Fussgängerzone hoch und rundrum, platzieren wir uns auf der Piazza und geniessen einen ausgiebigen Apéro. Dabei beobachten wir amüsiert die Vorbereitungen fürs abendliche Fest auf dem Dorfplatz. Die Beiz fürs Abendessen haben wir auch schon gesichtet. Sie liegt am oberen Ende des Platzes und ist nur ein Steinwurf von unserem Apérobeizli weg. Wir haben keine Lust noch lange nach Alternativen zu suchen und der Besuch dort lohnt sich auch, denn das Essen ist ausgezeichnet. Ich bestell mir so ne Art Spinatspätzli mit Kartoffeln und Käse und danach ein Filet, Dirk versucht Weichkäse der in einer Teighülle eingepackt und fritiert ist und danach auch ein schönes Stück Fleisch. Es ist grade noch warm genug, dass wir draussen auf der Terasse essen können und so auch noch die Stimmung vom Bormeser Dorffest mitkriegen.
Sonntag: Die lange Rückreise
Leider ist das Sonntagswetter nicht mehr ganz so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Der Himmel ist grau in grau. Dicke Wolken anstatt Strahlewetter. Aber – die Temperaturen sind noch ok und es regnet auch nicht. Also gehts nach dem Frühstück um halb elf los Richtung Livigno. Die Steigung zum nächsten Pass beginnt schon in Bormio. Von da gehts 1100 Höhenmeter hoch zum Passo Foscagno. Die Steigung ist zum Glück nicht mehr so steil wie gestern und so läufts eigentlich recht gut. Oben gibts nur nen kurzen Trinkstop, dann gehts der Bergflanke entlang in einen kleinen Talboden hinunter, aber nur knapp 200 Höhenmeter und man sieht schon vom Foscagno oben den Übergang nach Livigno, den Passo d’Eira. Der Verkehr ist massiv, Motoradfahrer ohne Ende und auch viele Autos sind unterwegs. Als wir dann zum ersten Mal auf Livigno hinunter sehen ist uns auch klar, wieso auf der Strasse soviel los war. Livigno als Zollfreizone scheint die Italos magisch anzuziehn. Shopping, shopping, shopping. Das Dorf ist voll, wie im Winter in der Hochsaison. Natürlich sind alle Shops geöffnet und die Möfifahrer und die sonstigen Tagestouris flanieren die Einkaufsstrasse hoch und runter. In den Beizen ist kaum Platz zu finden. Wir setzen uns zu zwei Italienern an den Tisch und bestellen lecker Pizza. Das Wetter hält immer noch, obwohl die Wolken die Bergspitzen immer mehr einnebeln und es immer mehr nach Regen aussieht. Trotz allem beschliessen wir, die lange Runde über die Bernina zu fahren und nicht den Shorttrack durchs Tunnel zurück zum Ofenpass zu nehmen. Wir hofften, dass der Rückreiseverkehr noch nicht grade einsetzt, aber da hofften wir vergebens. Auf unserer Tour, war dies wohl die verkehrreichste Strecke. Das Wetter schien auch zu kippen. Oben begann es zu nieseln, aber es ging noch ohne Jacke. Auf der Passhöhe ist der italienische Zoll. Von da gehts wieder hinunter zur Berninapassstrasse über den Schweizer Zoll. Vom raufkurbeln hatte ich langsam genug, war aber froh, dass es nach Tacho nur noch etwa 250 Höhenmeter bis auf die Bernina sein konnten. Die Steigungen hier waren aber wieder bis über 10% steil und ich quälte mich die letzten 100 Meter dann ziemlich den Berg hoch. Ich war heilfroh, als wir den letzten Hügel unserer Tour erklommen hatten.
Nun gings nur noch bergab und wir mobilisierten nochmal unsere letzten Kräfte und legten die letzten 47 Kilometer in knapp 90 Minuten zurück. Es war eigentlich das einzige Mal auf dieser Tour, wos mal gradeaus ging und man auch Windschatten fahren konnte. Um Viertel vor Sechs, also gut 48 Stunden nach unserem Start am Freitag waren wir wieder zurück in Zernez. Die Sonntagsetappe war mit über 110 Kilometern und mehr als 2100 Höhenmetern sogar noch länger als die Stelvioüberquerung. Obwohl ich immer mal wieder gelitten habe und die drei Wochen Velopause vor diesem Event sicher nicht die beste Vorbereitung waren, hats mal wieder tierisch Spass gemacht. Und da man diese Tour einfach der Karte nachfahren kann, brauchts hier auch keine GPS-Daten.
Hallo Ihr Velöler, ich kann nur vor Achtung meinen Hut ziehen und staune immer wieder über Euren Mut und die tolle Leistung. Wenn wir könnten würden wir mal an die Strasse stehen und Euch anfeuern. Aber das könnte man mal im Schwarzwald auf einer kleineren Tour nachhohlen-das am Wege stehen und das anfeuern.
Deine Eltern
Otto Meyer schrieb am 5. September 2006 um 9:27